Das Lerngeschenk – eine wunderbare Möglichkeit zur Effektivität
Wir wissen, wie positiv sich eine moderne Fehlerkultur auf Engagement, Produktivität und Fluktuation der Mitarbeiter*innen auswirkt.
Wenn in einer Firma Fehler verteufelt und als Rückschläge betrachtet werden, gerät infolgedessen auch das Betriebsklima in eine Gesundheitskrise. Dabei kommt es nicht auf die Größe des Unternehmens an: Eine schlechte Fehlerkultur wird Fluktuation auslösen und Mitarbeiter psychisch krank machen. Nicht gelöste Konflikte werden zu Mobbing und die Betroffenen ebenfalls krank machen. Und zwar Täter und Opfer.
Glaubenssatz meiner Oma: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“: Fehlerkultur heißt Fehlerakzeptanz mit Lernprozess. Ich sag immer Lerngeschenk dazu und dass das Gute am Fehler machen das Lernen daraus ist.
Wenn jemand aus deinem Team Angst haben muss, bei einem Fehler »erwischt« zu werden, leidet erst die Motivation und anschließend dadurch die Qualität der Arbeit. Wenn du als Chefin oder Chef jeden Fehler unerklärlich bis unverzeihlich findest, erzeugst du diese Angst und läufst außerdem an der Realität vorbei, während du dir und anderen die Stimmung verdirbst, die Motivation killst und ein feindliches Klima erzeugst: der Tod jeder Experimentierfreude oder Kreativität. Denn wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht – nobody is perfekt.
Aber das ist noch nicht alles. Zu einer guten Fehlerkultur gehört es auch, keine »schuldige Personen« festzulegen und beim Namen zu nennen. Es ist nur menschlich, dass man nicht schuld sein möchte, aber es hat auch einen miesen Beigeschmack – vor allem, wenn es von Chefin oder Chef kommt. Fehlerkultur heißt: Eine*r für alle, alle für eine*n
Lernen wir von den daxorientierten Konzernen, in deren Pressemitteilungen nie zu lesen ist „Frau Meier war schuld“, sondern stattdessen: „Wir bedauern die Umstände und geben unser Bestes“.
Ein Team steht geschlossen für gemachte Fehler, ohne Schuldzuweisungen und/oder Versuche einzelner Personen, sich von einer Fehlerbeteiligung reinzuwaschen. Nur so kann man sinnvoll und konstruktiv analysieren, wie sich eine Wiederholung des Fehlers verhindern lässt und was sich daraus an Erkenntnissen mitnehmen lässt. Nur so kann eine sinnvolle Fehlerkultur gelebt werden und ein Fehler zum Freund werden, einer, von und mit dem wir etwas lernen können.
Es gibt mehrere tolle Geschichten, die Fehler und unseren Umgang damit zum Thema machen. Allen bekannt sicher die Legende um Jesus und die Ehebrecherin. Sie erinnern sich? Die Ehebrecherin sollte auf dem Marktplatz des Dorfes gesteinigt werden. Die sensationshungrigen Bewohner hatte die Werkzeuge dafür schon vor sich liegen, jeder hatte schon einen Stein in der Hand. An dieser Stelle soll Jesus gesagt haben, dass der, der ohne Schuld ist, den ersten Stein werfen soll. Daraufhin haben alle ihre Steine hingelegt und sind gegangen. Das hat damals noch geklappt. Ich befürchte, dass heute ein Steinehagel auf die arme Frau niederregnen würde, weil kaum noch einer bereit ist, vor der eigenen Tür zu kehren. Oder?
*Eine Legende über Henry Ford: Einmal rief der Chef einen Manager zu sich. Dieser hatte eine vorschnelle Entscheidung getroffen und damit dem Unternehmen Schaden zugefügt. Der Manager reagierte im Stile einer öffentlichen Person: „Selbstverständlich übernehme ich die Verantwortung für meinen Fehler und kündige sofort.“ – „Sind Sie wahnsinnig“, antwortete Henry Ford, „wir haben gerade über eine Million Dollar in Ihre Ausbildung investiert!“
Henry Ford hat die Million zwar wahrscheinlich aus der Portokasse genommen. Aber was hätte es ihm geholfen, wenn die »schuldige Person« das Unternehmen verlassen hätte? Nichts, er hätte eine wertvolle Fachkraft verloren.
Der Fehlerkultur-Knigge geht davon aus, dass Fehler nicht böswillig geschehen und immer ein konstruktives faires Feedback verdienen. Damit ist allen gedient. Auch dir als Führungskraft, und auch dann, wenn du verständlicherweise manchmal am liebsten in Tischkanten beißen würdest, weil es doch so viel netter wäre, wenn nichts schiefgeht.